Schlagwort: Beckenboden

Harninkontinenz: Urologen stellen neue Entwicklungen der Inkontinenz-Therapie vor

Ber­lin, 11.05.2017. Funk­ti­ons­stö­run­gen im Bla­sen- und Becken­bo­den­be­reich sind weit ver­brei­tet. Sie rei­chen von Bla­sen­ent­lee­rungs­stö­run­gen über unge­woll­ten Urin­ver­lust bis hin zu Schmer­zen in Becken und Rücken. Von den Pati­en­ten und Pati­en­tin­nen als beson­ders unan­ge­nehm emp­fun­den wird eine Harn­in­kon­ti­nenz. Das Gefühl, die eige­ne Bla­se nicht mehr kon­trol­lie­ren zu kön­nen, geht mit einem hohen Lei­dens­druck ein­her. Eine von drei Frau­en hat in ihrem Leben das Risi­ko an einer Belas­tungs­in­kon­ti­nenz zu erkran­ken. Eine von neun Frau­en erkrankt an einer soge­nann­ten Sen­kung ihres inne­ren Geni­tales (Pro­laps). Zu den häu­figs­ten Aus­lö­sern einer Belas­tungs- oder Dran­gin­kon­ti­nenz sowie einer Pro­laps­er­kran­kung bei Frau­en zäh­len dege­ne­ra­ti­ve Ver­än­de­run­gen, Ent­zün­dun­gen, Geburts­schä­di­gun­gen, Über­ge­wicht sowie eine zuneh­men­de Lebens­er­war­tung. Bei Män­nern spielt neben dem Alter meist eine Ope­ra­ti­on der Pro­sta­ta die bedeu­ten­de Rol­le bei der Ent­ste­hung einer Harninkontinenz.

Hil­fe fin­den betrof­fe­ne Män­ner und Frau­en in Form moder­ner Behand­lungs­maß­nah­men, die zugleich scho­nend und effek­tiv sind. Wur­de noch vor weni­gen Jah­ren auf­wän­dig ope­riert, bei Frau­en etwa der Bla­sen­hals im Zuge einer belas­ten­den Schnitt­ope­ra­ti­on ver­la­gert, eine soge­nann­te Nadel­sus­pen­si­on vor­ge­nom­men oder eine Pubo­va­gi­nal­sch­lin­ge aus kör­per­ei­ge­nem Gewe­be gesetzt, reicht heu­te meist ein mini­mal­in­va­si­ver Ein­griff aus. Die theo­re­ti­schen Grund­la­gen die­ser The­ra­pie wur­den bereits vor 25 Jah­ren in der soge­nann­ten Inte­gral­theo­rie nach Petros beschrie­ben – der Wie­der­her­stel­lung der Bla­sen­funk­ti­on durch die Rekon­struk­ti­on des locke­ren Hal­te­ap­pa­ra­tes. Bewährt hat sich unter ande­rem der Ein­satz sub­u­rethr­a­ler Bän­der, etwa aus Poly­pro­py­len. Der Becken­bo­den ist dabei mit einem Tram­po­lin ver­gleich­bar: Nur wenn eine aus­rei­chen­de Span­nung vor­han­den ist, kann er rich­tig funktionieren.

Die syn­the­ti­schen Bän­der, die mit Hil­fe eines klei­nen Schnit­tes bezie­hungs­wei­se Ein­stichs in den Becken­bo­den ein­ge­setzt wer­den, erset­zen die erschlaff­ten Hal­te- und Stütz­bän­der des Becken­bo­dens und stel­len so die ver­lo­ren gegan­ge­ne Elas­ti­zi­tät und Spann­kraft wie­der her“, erklärt Dr. Alfons Gun­nemann, der auf dem 69. Kon­gress der Deut­schen Gesell­schaft für Uro­lo­gie e.V. (DGU) in Dres­den zu die­sem The­ma refe­rie­ren und das Inkon­ti­nenz-Forum beglei­ten wird. „Nicht nur, dass der Ein­griff für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten deut­lich scho­nen­der ist. Ein Vor­teil ist auch die gute Halt­bar­keit der Bän­der. Rich­tig ein­ge­setzt, kön­nen sie vie­le Jah­re im Kör­per ihre stüt­zen­de und straf­fen­de Funk­ti­on behal­ten. Außer­dem sind sie gut ver­träg­lich.“ Aller­dings ist zu beach­ten, dass mög­li­che post­ope­ra­ti­ve Mate­ri­al­ver­än­de­run­gen, Gewe­be­re­ak­tio­nen, die ein­ge­setz­te Implan­ta­ti­ons­tech­nik sowie pati­en­ten­ei­ge­ne Risi­ko­fak­to­ren die Ergeb­nis­se beein­flus­sen können.

Neben dem Ein­brin­gen sub­u­rethr­a­ler Bän­der kann den Betrof­fe­nen auch ein künst­li­cher Bla­sen­schließ­mus­kel hel­fen. Die­ser kommt haupt­säch­lich bei Män­nern zum Ein­satz. Hier­bei kann der Mann mit Hil­fe einer in den Hoden­sack ein­ge­brach­ten Pum­pe eine um die Harn­röh­re geleg­te Man­schet­te öff­nen und schlie­ßen und so den Harn­ab­fluss kon­trol­lie­ren. „Der künst­li­che Schließ­mus­kel ist eine sehr effek­ti­ve Maß­nah­me und macht jeden Inkon­ti­nen­ten wie­der tro­cken. Er ist vor allem für Män­ner inter­es­sant, die am Tag mehr als 500 Mil­li­li­ter Urin ver­lie­ren“, erklärt Dr. Alfons Gun­nemann. „Aller­dings muss auf­grund der Kom­ple­xi­tät die­ser Maß­nah­me auch mit Kom­pli­ka­tio­nen gerech­net wer­den. Kommt der Pati­ent mit der Hand­ha­bung aber gut zurecht, funk­tio­niert das Zusam­men­spiel von Man­schet­te und Pum­pe, und akzep­tiert der Kör­per den künst­li­chen Schließ­mus­kel, kann die­ser durch­aus lebens­lang im Ein­satz blei­ben. Regel­mä­ßi­ge Kon­trol­len sind aller­dings Pflicht. Das gilt auch für die sub­u­rethr­a­len Bänder.“

Und die For­schun­gen gehen wei­ter: Fei­ne­re, elek­tro­nisch kon­trol­lier­te Behand­lungs­me­tho­den wer­den eben­so erprobt wie die Ver­träg­lich­keit und Belast­bar­keit neu­er Mate­ria­li­en. „Harn­in­kon­ti­nenz betrifft vie­le Pati­en­ten und Pati­en­tin­nen und ist ein wich­ti­ges The­ma, dem Auf­merk­sam­keit geschenkt wer­den muss“, sagt DGU- und Kon­gress­prä­si­dent Prof. Dr. Til­man Kälb­le, „Denn die Betrof­fe­nen haben nur einen Wunsch: wie­der ein unbe­schwer­tes Leben zu füh­ren. Dabei kön­nen wir Uro­lo­gen ihnen hel­fen. Eines der Zie­le des 69. Kon­gres­ses der DGU ist daher, den Blick für die­sen bedeu­ten­den The­men­be­reich zu schär­fen. Raum für Dis­kus­sio­nen bie­ten unter ande­rem die Forums­sit­zun­gen, die von Don­ners­tag, den 21.09.2017 bis Sams­tag, den 23.09.2017 stattfinden.“

Doch nicht nur die Behand­lung der Inkon­ti­nenz steht im Fokus. The­ma­ti­siert wer­den auch die Mög­lich­kei­ten, dem unge­woll­ten Harn­ab­gang vor­zu­beu­gen. Neben geziel­tem Becken­bo­den­trai­ning und der Ver­mei­dung von Über­ge­wicht spie­len dabei Maß­nah­men wie die Elek­tro­sti­mu­la­ti­on und die Betrach­tung des Hor­mon­sta­tus eine tra­gen­de Rol­le. „Der Becken­bo­den gehört zu den ver­nach­läs­sig­ten Orga­nen. Ihm soll­te deut­lich mehr Auf­merk­sam­keit geschenkt wer­den“, appel­liert Dr. Alfons Gun­nemann. „In der Medi­zin gibt es zwar kein All­heil­mit­tel, aber sehr gute Behand­lungs­mög­lich­kei­ten. Um jedem Pati­en­ten und jeder Pati­en­tin die pas­sen­de The­ra­pie zu ermög­li­chen, kommt es daher auf einen fach­über­grei­fen­den Aus­tausch und die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Uro­lo­gen, Gynä­ko­lo­gen und Colo­pr­ok­to­chir­ur­gen an.“

Der 69. Kon­gress der Deut­schen Gesell­schaft für Uro­lo­gie fin­det vom 20. – 23.09.2017 in Dres­den unter dem Mot­to „Uro­lo­gie. Für alle. Für jeden. Für uns.“ statt. Zu den inhalt­li­chen Schwer­punk­ten gehö­ren neben der Inkon­ti­nenz bei Mann und Frau unter ande­rem auch die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen zu PSA-Scree­ning und Acti­ve Sur­veil­lan­ce beim Pro­sta­ta­kar­zi­nom sowie Neue­run­gen bezüg­lich Dia­gnos­tik und The­ra­pie aller uro­lo­gi­scher Tumoren.

Quel­le: DGU

Inkontinenz – nehmen Sie Ihren Arzt in die Pflicht!

Aus Scham wird oft geschwie­gen / Schlech­te Behand­lungs­qua­li­tät för­dert die Tabui­sie­rung der Volks­krank­heit   19.05.2014. Wer fest­stellt, dass er sei­ne Bla­se nicht mehr unter Kon­trol­le hat, fühlt sich häu­fig nicht krank, son­dern alt und beschämt. Denn die Kon­trol­le der Aus­schei­dun­gen ist die ers­te sozia­le Leis­tung, die uns als Klein­kind abver­langt wird. Wer in die­sem Punkt nicht rich­tig funk­tio­niert, emp­fin­det die gesell­schaft­li­che Tabui­sie­rung des The­mas oft­mals stär­ker als den kör­per­li­chen Man­gel. Doch Inkon­ti­nenz ist gut behan­del­bar. Wer das Gespräch mit dem Arzt scheut, soll­te sich vor Augen füh­ren, dass jeder zehn­te Deut­sche betrof­fen ist. Die Behand­lung von Inkon­ti­nenz gehört also für Medi­zi­ner zur täg­li­chen Routine.

Doch wie bei vie­len Rou­ti­ne­tä­tig­kei­ten schleicht sich auch hier in der Aus­füh­rung oft Gleich­gül­tig­keit ein. Prof. Klaus-Peter Jüne­mann, Direk­tor der Kli­nik für Uro­lo­gie und Kin­der­uro­lo­gie am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Schles­wig-Hol­stein in Kiel und Ers­ter Vor­sit­zen­der der Deut­schen Kon­ti­nenz Gesell­schaft: „Von den Pati­en­ten, die zum Arzt gehen, wer­den lei­der nur zehn Pro­zent rich­tig behan­delt. Daher ist Hart­nä­ckig­keit gegen­über den behan­deln­den Ärz­ten beson­ders wich­tig. Denn sogar, wenn ein Betrof­fe­ner medi­zi­nisch als aus­the­ra­piert gilt, kann er mit den rich­ti­gen Hilfs­mit­teln fast unbe­hin­dert am täg­li­chen Leben teilhaben.“
Die oft schlech­te Behand­lungs­qua­li­tät hat mit Unwis­sen und mit einer Ver­harm­lo­sung des Pro­blems Inkon­ti­nenz auch durch die Ärz­te zu tun, so hal­ten es vie­le Ärz­te für nor­mal, dass man im Alter inkon­ti­nent wird und spie­len das Pro­blem her­un­ter oder hal­ten es nicht für behand­lungs­be­dürf­tig. Dazu kommt die Not­wen­dig­keit einer sehr indi­vi­du­el­len Ursa­chen­for­schung. Hier ist nicht wie bei einem gebro­che­nen Kno­chen eine ein­zi­ge Ursa­che uni­ver­sell ver­ant­wort­lich. Viel­mehr sind vie­le Orga­ne betei­ligt, die zudem geschlech­ter­spe­zi­fisch unter­schied­lich sind.

Es ist für die Pati­en­ten jedoch wich­tig zu wis­sen, dass Inkon­ti­nenz heu­te kei­ne Krank­heit mehr ist, die man ein­fach schick­sals­ge­ge­ben hin­neh­men muss. Prof. Klaus-Peter Jüne­mann ermun­tert daher alle Pati­en­ten, bei einem aus­blei­ben­den Behand­lungs­er­folg den Arzt erneut auf­zu­su­chen oder zu einem Spe­zia­lis­ten zu wech­seln, z.B. zu einer durch die Deut­sche Kon­ti­nenz Gesell­schaft zer­ti­fi­zier­ten ärzt­li­chen Bera­tungs­stel­len oder Kon­ti­nenz- und Becken­bo­den Zen­tren. „Die von der Deut­schen Kon­ti­nenz Gesell­schaft zer­ti­fi­zier­ten Kon­ti­nenz- und Becken­bo­den-Zen­tren sind immer inter­dis­zi­pli­när besetzt. Das bedeu­tet, dass durch gemein­sam arbei­ten­de Fach­ärz­te die spe­zi­fi­sche Ursa­chen­for­schung grund­sätz­lich sehr detail­liert vor­ge­nom­men wer­den kann. Das stei­gert die Chan­cen auf einen Behand­lungs­er­folg deut­lich.“ Inzwi­schen wur­den nahe­zu 1.300 ärzt­li­che Bera­tungs­stel­len sowie 73 Kon­ti­nenz- und Becken­bo­den Zen­tren zer­ti­fi­ziert, sodass nahe­zu im gesam­ten Bun­des­ge­biet wohn­ort­nah Spe­zia­lis­ten vor­han­den sind.

Die Deut­sche Kon­ti­nenz Gesell­schaft e. V. hat es sich als gemein­nüt­zi­ge, medi­zi­nisch-wis­sen­schaft­li­che Fach­ge­sell­schaft seit 1987 zur Auf­ga­be gemacht, Inkon­ti­nenz aus der Tabu­zo­ne zu holen und so den Weg frei zu machen für eine ver­bes­ser­te Dia­gno­se, Behand­lung und Prä­ven­ti­on von Harn- und Stuhl­in­kon­ti­nenz. Dafür steht bun­des­weit ein inter­dis­zi­pli­nä­rer Exper­ten­rat aller betrof­fe­nen Fach­rich­tun­gen zur Ver­fü­gung. Mit der Zer­ti­fi­zie­rung von ärzt­li­chen Bera­tungs­stel­len sowie Kon­ti­nenz- und Becken­bo­den-Zen­tren und der Ver­an­stal­tung von Fort­bil­dun­gen trägt die Deut­sche Kon­ti­nenz Gesell­schaft maß­geb­lich zur Qua­li­täts­si­che­rung in der Behand­lung und Bera­tung von Men­schen mit Inkon­ti­nenz bei.

Quel­le: Uro­lo­gen­por­tal / Pres­se­infor­ma­ti­on der Deut­schen Kon­ti­nenz Gesell­schaft e.V.